Die Ausstellung.

Über die dramatische Situation schwerkranker Drogensüchtiger im Bahnhofsviertel informiert eine Ausstellung im Kunstraum „YokYok“ (Münchener Straße 32) und im Bahnhofsviertel. Das Kunstprojekt trägt den Titel „Lost Christmas – Weihnachtswünsche aus der Elbestraße“. Eröffnung ist am Montag, 18. Dezember, um 19 Uhr in Frankfurts Kult-Galerie „YokYok“. Fotos des Frankfurter Fotografen Ulrich Mattner zeigen langjährige Drogenabhängige und deren Weihnachtswünsche. Texte, Fotografien und Zeichnungen informieren über das Drogenproblem in Frankfurt aus Sicht der Abhängigen und Kranken. Die Ausstellung dauert bis Montag, 1. Januar 2018. Sie ist täglich von 12 bis 23 Uhr geöffnet.

Galerie YokYok

Münchener Straße 32
60329 Frankfurt am Main

Protagonisten.

Mike

Mike

“Ich wünsche mir eine legale Abgabe von sauberen Drogen an Schwerstabhängige.“
DC

DC

“Ich wünsche mir einen Druckraum, der auch nachts geöffnet hat.“
patricia

Patricia

“Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt.“
george

George

“Ich wünsche mir, nicht verjagt zu werden.“
caro

Caro

“Ich wünsche mir eine Anlaufstelle, wo wir uns nachts aufhalten können.“
milena

Milena

“Das Bhfsviertel wird immer aggressiver, die Drogen kicken nicht mehr!“
rolf

Rolf

“Ich wünsche mir einen Platz, wo wir uns offiziell aufhalten dürfen.“
serban

Serban

“Ich wünsche mir mehr Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche.“
serban milena

Nuri

“Ich wünsche mir nachts Druck- und Aufenthaltsräume. Und mehr Hilfe.“

Ulrich Mattner

Ulrich Mattner war Korrespondent der F.A.Z. Als freier Wirtschaftsjournalist berichtete er über Börse, Banken und Business. Heute widmet er sich ganz dem Bahnhofsviertel: Als Tourveranstalter, Journalist, Fotograf und Vorsitzender des Gewerbevereins.

Ullrich Mattner

Jenny Blaine

Jenny bildet die Verbindung zwischen Ulrich Mattner und den Protagonisten der Ausstellung. Außerdem ist ihre Geschichte inklusive Bildern aus ihrer Jugend elementarer Teil der Ausstellung.

Jenny

Fabian Parusel

Fabian Parusel ist Mitgründer der Agentur next und er war von Beginn an Feuer und Flamme für das Projekt. Er lebt und arbeitet seit 2008 im Bahnhofsviertel.

Fabian Parusel

Warum?

Im Zuge des Kunstprojekts erhalten im Viertel seit vielen Jahren bekannte Drogenabhängige wie Mike, Cora und Rolf erstmals öffentlich ein Gesicht. Der Fotograf Ulrich Mattner hat gemeinsam mit der ehemals drogenkranken Jennifer Blaine neun langjährige Drogensüchtige nach ihren Weihnachtswünschen gefragt und fotografiert. „Wichtig war es, sie nicht – wie meist in den Medien – krank oder auf Entzug abzulichten“, berichtet Mattner. „Wir haben sie als unsere Nachbarn fotografiert, so wie sie uns hier im Viertel oft begegnen.“ Jennifer Blaine gelang es, das Vertrauen der Drogenabhängigen zu gewinnen und sie für das Projekt zu begeistern. Die Plakate der Street-Gallery mit den Fotos und den Weihnachtswünschen gestalteten Fabian Parusel und Sebastian Buruiana der im Viertel ansässigen Agentur next PR.

Ziel des Kunstprojekts ist es, den Drogenkranken eine Stimme zu geben. Viele leben schon seit 20 oder 30 Jahren unter schlimmsten Bedingungen auf der offenen Drogenszene in Elbe- und Niddastraße. Um den Entzug zu bekämpfen, Krankheitsschmerzen zu lindern und dem trostlosen Alltag zu entfliehen, konsumieren sie täglich Drogen im Wert bis zu 100 Euro und mehr. Beschaffungskriminalität, Betteln und Prostitution schon ab fünf Euro sind die gängigen Wege der Drogenbeschaffung. Viele versetzt das oft verwahrloste und schwerkranke Äußere in Angst und Schrecken. Für etliche langjährige Bewohner des Viertels gehört die Drogenszene jedoch zum Stadtteil ebenso wie Künstler, Händler, Rotlicht und Barbetreiber. Für sie haben Drogenkranke Namen, Gesichter und Lebensgeschichten. Nicht wenige geben ihnen Geld für Lebensmittel, Zigaretten, Kleidung – auch mit dem Wissen, dass dafür auch Drogen gekauft werden.

Haben Alkoholiker überall leicht Zugang zu Bier, Wein und Schnaps, führt die Abhängigkeit von illegalen Drogen unweigerlich in die Kriminalität. Es gibt kaum ein profitableres Geschäft als den Handel mit Kokain oder Heroin. Kosten 10 Gramm reines Kokain in Kolumbien um die 10 Euro, zahlen Dealer hierzulande dafür bis zu 500 Euro. Gestreckt u.a. mit Milchzucker, Schmerztabletten, Entwurmungsmitteln, Psychopharmaca und Coffein – kostet es auf der Straße ein Vielfaches. Wegen dieser enormen Gewinnspanne sind die vielen Razzien der Polizei ein Kampf gegen Windmühlen. Für jeden festgenommenen Dealer stehen neue parat, um in das lukrative Geschäft einzusteigen.

Die Ausstellung „Lost Christmas – Weihnachtswünsche aus der Elbestraße“ wirbt um mehr Verständnis für Drogensüchtige als Schwerkranke. Sie ist ein Impuls, um die dramatische Situation der Schwerstabhängigen im Bahnhofsviertel zu verbessern. Dazu bedarf es neuer Wege und Gesetzesinitiativen. Wichtig ist eine Diskussion führender Drogenexperten, wie dem Elend in Deutschlands reichster Stadt endlich ein Ende gemacht werden kann. Es kommt darauf an, Tabus wie die kostenlose Ausgabe von harten Drogen an Schwerstabhängige im Bahnhofsviertel oder die Zentralisierung der Szene in einem Gebäude (statt der bisherigen Aufteilung auf drei Konsumräume) zu diskutieren. In Zürich ist es gelungen, die Drogenkranken von der Straße zu holen, obwohl das Drogenproblem dort noch viel größer war. Wir sind uns sicher, dass dies auch in Frankfurt gelingen kann.